Die Anliegen-Methode der IoPT 
Identitätsorientierte Psychotraumatheorie- und -therapie nach dem Konzept von Prof. Franz Ruppert 

Selbstbegegnungen mit der Anliegenmethode Die Anliegenmethode ist eine Therapieform, die mit Anliegensätzen und der Resonanztechnik arbeitet. Dies ermöglicht einen Zugang einerseits zu vielen psychischen, emotionalen unbewußten Zuständen. Und in Schritten den Zugang zum eigenen Psychotrauma-Opfer-sein und dem Erkennen der eigenen Opferhaltungen wie chronische Krankheiten, etc. … 

Mittlerweile haben viele Menschen mit der Anliegenmethode positive und entwicklungs-fördernde Erfahrung machen können - sowohl im Einzelsitzungen als auch in der Gruppe. Diese Methode ist meines Erachtens eine der wirksamsten, um verstehen und erkennen zu können, wo die Ursachen der Probleme in unserem Leben liegen. Zugleich ist dies eine Methode, sich den verdrängten, abgespaltenen Anteilen, Gefühlen aus früh-kindlichen traumatischen Erlebnissen und Erfahrungen zu nähern, die in der kindheit unaushaltbar waren. Die durch therapeutische Begleitung erfahrene haltende und empathische Unterstützung ermöglicht, sich diesen Gefühlen nochmals (als Erwachsene) zu stellen, sie auszuhalten und zu erlösen. So werden körperliche Erkrankungen und Symptome (Traumafolgestörungen) als Überlebensstrategien erkannt. Sie wurden entwickelt - und waren überlebenswichtig -, um traumatische Erfahrungen als Kind zu überleben. Auch Beziehungsstörungen und diverse Schwierigkeiten haben hier sehr oft ihren Ursprung. Fehlende halt gebende und liebevolle Bindungen oder Verluste von Bezugspersonen, etc. haben die Entwicklung einer stabilen inneren Beziehungsfähigkeit verunmöglicht. Im therapeutischen Prozeß integrieren wir langsam den (körperlichen) Schmerz und die abgespaltenen Trauma-Anteile. Wir entwickeln unser eigenes Ich, das aufgegeben werden musste, um schwierigste Familien-Situationen überleben zu können. Es wächst so zunehmend ein Gefühl des authentisch-seins, des echt und pur seins und langsam zeigen sich unsere ureigenen Bedürfnisse und Lebenswünsche. Abgespaltene Anteile in uns, die lieben - und geliebt werden wollen, die sein-wollen, kommen zu uns zurück. So wächst auch eine bessere und gute Verbindung zu unserem Körper und dem, was er fühlt und braucht. Wir leben in und mit unserem Körper. Die Beziehung zu uns selbst wird schrittweise besser und gut - und so auch die zu anderen Menschen. Wir werden tiefer und echter. All dies braucht eine Entscheidung, auch viel Mut und die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Dies ist ein Weg, der Zeit und auch immer wieder Geduld braucht. Aber was ist bei Traumaerfahrungen die Alternative? 

Wie kann ich mich kennenlernen? 
Wie erfahren, wer ich bin und was ich will? 
Wie kann ich Ich werden? Wie erfahren, was ich brauche & was ich mir wünsche vom Leben? 
Wie erfahren, was der Sinn meines Lebens ist ... und meine Lebensaufgabe ? 

Wer Traumata erleben musste, durchstehen musste, konnte diese lebensgestaltenden Fragen und Antworten meistens nicht zulassen. Und oft fühlen wir im Älter-werden eine große Sehnsucht nach uns selbst, unserem Ich, das noch gelebt und gefühlt werden will. Die gute Nachricht - es ist nie zu spät, sich auf den Weg zu machen zu sich selbst, zur eigenen Heilung und zur Ganzheit. 

Nach F. Ruppert ist Heilung einer durch Trauma geschädigten Psyche nur von Innen her zu erreichen. Die Psyche hat zudem aus sich selbst heraus das Bedürfnis und das Selbst-Heilungspotential, wieder als gesunde Psyche zu funktionieren und die Realität so zu erfassen, wie sie wirklich ist.

Durch die aus Überlebensstrategien entstandene Notwendigkeit, bestimmte Realitäten zu verleugnen, werden Selbstheilungsversuche immer wieder torpediert.

Klarheit hierüber zu erlangen, d.h., die eigene Wahrheit zu sehen, ermöglicht die Resonanztechnik. Andere Menschen spiegeln mir als Resonanzgeber wider, wie es in meiner Psyche aussieht. Wenn ich mich selbst darin erkenne, wird die traumabedingte Spaltung rückgängig gemacht – wenn ich mich dafür entscheide und das will.

Ohne eigenes Anliegen macht es keinen Sinn, mit der therapeutischen Arbeit zu beginnen! 
Franz Ruppert

Nur ein selbstgewähltes Anliegen gewährleistet, dass der Anliegen-Einbringer in den danach folgenden Resonanzprozeßen auch dann noch offen bleibt, wenn sich seine Überlebensstrategien und traumatisierten Anteile zeigen und ihn mit ihren negativen Folgen für sich selbst und andere konfrontieren. 

Nur so kann jemand selbst die Verantwortung dafür übernehmen, ob er mit seinen, die Realitäten verleugnenden Opfer-und Täter-Haltungen weitermachen oder lieber seine gesunde Psyche entwickeln will, auch wenn es momentan noch große Angst erzeugt und sehr schmerzhaft ist.

Je schwächer die Täter-und Opfer-Haltungen werden und die verleugneten Trauma-Realitäten allmählich ans Licht kommen dürfen, umso klarer können die gesunden Anteile eines Menschen, das Ich wieder die innere Führung übernehmen.

Der Mensch kann vielleicht zum ersten Mal die Verantwortung für sein Leben übernehmen. Er kann allmählich die erlittenen Schädigungen mit all den damit verbundenen Ängsten, Wutgefühlen, Schamgefühlen, Schmerzen, enttäuschter Liebe und abgrundtiefer Einsamkeit annehmen. 

Man muss dann keine Opfer-und Täter-Haltungen mehr aufrecht halten, um Traumagefühle abzuwehren. 

 

 

Wer bei sich ist, fühlt sich nicht mehr allein und verlassen.

Ein Anliegen … 

  • ist das, was jemand als sein Anliegen formuliert und zum Ausdruck bringt
  • für den Begleiter der konkrete Auftrag eines anderen Menschen
  • es kann vom Begleiter weder korrigiert von verbessert oder kommentiert werden

 Was zeigt mein Anliegen … 

  • den Stand meiner Auseinandersetzung mit mir selbst
  • meine Vorstellungen von meinen Problemen und Lösungen
  • mein Bewußsein über mich (meine Psyche, meine Identität, meinen Körper, meine Beziehungen) …
  • meine psychische Zersplitterung
  • den Zustand meiner gesunden Anteile, meines Ichs, meines Willens
  • meine möglichen nächsten Schritte

 

Therapeutische Ziele

Die Förderung der Ich-Stabilisierung, das Unterstützen einer eigenen Willensbildung, das Achten auf eigene gesunde Bedürfnisse, das Zurück-kommen in den eigenen Körper sind die zentralen Ziele dieser Therapieform.

  • gesunde psychische Strukturen weiterentwickeln (vor allem Ich, wollen, Gefühle, Erkenntnisse, Erinnerungen, Körperempfindungen)
  • eigene innere Ressourcen aktivieren
  • abgespaltene Traumatisierungen bewußt machen
  • Trauma-Überlebensstrategien bewußt machen
  • Eigenverantwortung fördern
  • abgespaltene Trauma-Anteile integrieren helfen
  • Erkennen von schädlichen Identifikationen
  • Gesunde, konstruktive Beziehungen fördern

 

 

Einzelarbeit

Hier werden anstatt der Resonanzgeber Bodenanker ausgelegt und die Anliegenaufsteller*in geht selbst in Resonanz mit allen Anteilen des Anliegens. Der Prozess wird wie in der Gruppenarbeit begleitet.

Gruppenarbeit

Die Anliegen-Methode ist eine Methode, die mit Aufstellungen arbeitet und sich aus dem Familienstellen von Bert Hellinger entwickelt hat. (Inhaltlich sind diese Methoden nicht vergleichbar.) Diese Arbeit kann sowohl in Gruppen- als auch als Einzelarbeit erfolgen.

Franz Ruppert nennt diese Arbeit jetzt: Selbstbegegnung mit dem Anliegensatz. 

Die Anliegenaufsteller*in schreibt ihr Anliegen auf ein Flipchart (oder Whiteboard). Das Anliegen besteht aus 3 Worten / Begriffen. Bei einem Anliegensatz werden drei Begriffe ausgewählt. Dann werden diese Begriffe auf Zettel geschrieben und nun beginnt der Prozeß, das die Resonanzgeber*innen ausgesucht werden, die die Zettel mit den Begriffen bekommen. Sie fühlen sich in die Rolle des ihnen übergebenen Begriffs ein. Dann folgt eine Zeit der Sammlung der Anliegenaufsteller vor dem Satz und in seinem Tempo gibt er den Resonanzgebern ein Zeichen, das der Prozeß beginnen kann.

Es beginnt eine Phase, in der nicht gesprochen wird. Die Resonanzgeber spüren in sich hinein, was kommt, was sie ausdrücken wollen ... Sie können sich bewegen, Gesten ausdrücken, miteinander in Aktion gehen … 

Die Anliegenaufsteller*in beobachtet das Geschehen und entscheidet, in welcher Reihenfolge sie die Stellvertreter befragt, z.B., was in ihnen vorgeht, wie sie sich fühlen, was sie fühlen, wie alt sie sind und wie und wann sie mit ihnen in Interaktion geht ... und welche reaktionen kommen. 

Der therapeutische Begleiter lässt den Prozess sich frei entwickeln, er beobachtet und fragt evtl. nach vergangenen Ereignissen oder einer Deutung der Worte/Begriffe. Er kann vorschlagen, Mutter oder Vater hinzuzunehmen, mit denen eine Verstrickung oder Identifikation besteht. 

Das Ziel ist, den Menschen in eine emotionale Eigenresonanz zu bringen, d.h., das er fühlen kann, einen Kontakt bekommt zu dem, was er sieht und was in ihm vorgeht. Ob es einen inneren Kontakt gibt, ist an der emotionalen Reaktion der Anliegenaufsteller*in abzulesen. 

Wirkmechanismen der Methode

Wir alle senden bewußt und unbewußt Informationen aus, die bei anderen eine Resonanz erzeugen. Die Reaktionen der Resonanzgeber aktivieren beim Aufstellenden psychische Vorgänge auf verschiedenen Ebenen. Alle Informationen sind im Feld …

Der Spiegelungs-Resonanz-Prozess kann Erinnerungen, Gefühle aus dem expliziten und impliziten Gedächtnis ins Bewußtsein holen. 

Wenn die Anliegenaufsteller*in im Prozeß in tiefe Gefühle kommt, können sich die zersplitterten inneren Anteile wieder einander annähern. 

Absolut wichtig ist ein gesunder Ich-Bezug. Zuerst muss das Trauma der Identität bearbeitet werden. 

  • Wenn zuerst das Nicht-Geliebt-Werden beweint wird, ist das darunter liegende Trauma noch nicht realisiert.
  • So kann allmählich das Interesse, sich mit den Tätern zu beschäftigen, in den Hintergrund treten. Es verschwinden die Bedürfnisse, von ihnen gesehen, anerkannt, verstanden und geliebt zu werden.
  • "Ich will keine Gerechtigkeit mehr und auch keine Rache. "

Auch Wut bindet nur an den Täter und die Opferhaltung bleibt bestehen. 

Es wird nur wichtig, den erforderlichen Abstand zu ihnen zu halten und sich konsequent nicht mehr mit ihnen zu beschäftigen. Sich selbst zu schützen ist vorrangig.

Auch kein Mitleid haben mit alten Eltern, die Täter waren … 

Niemand kann seine eigene traumatisierte Kindheit nachträglich gutmachen. Wir können sie nur annehmen, wie sie war. 

Das Zurückgehen in diese Zeit dient dazu, mitfühlend die damals abgespaltenen Kind-Anteile abzuholen und in das Gesamt der eigenen Identität zu integrieren. 

Dazu bedarf es eines Ichs, das so alt ist wie ich jetzt bin. Und dass auch angesichts hochkommender Trauma-Gefühle nicht wegbricht.

Durch ein Anliegen in Regression zu gehen, wie z.B., ich möchte mich selbst liebevoll halten, funktioniert so nicht. 

Wir können nicht gleichzeitig Kind und Mutter in einer Person für uns sein. 

Wer erkannt hat, in einer Täter-Opfer-Dynamik zu stecken, kann die Motivation entwickeln, daraus auszusteigen, auch wenn er akut aus den Beziehungssystemen noch nicht aussteigen kann.

 

 

Seine Ziel werden sein …

  • einen bleibenden Kontakt mit sich selbst zu halten, sein Ich spüren
  • das Richtige für sich selbst wollen
  • den eigenen Körper und seine Bedürfnisse spüren
  • stimmige eigene Gefühle zulassen
  • klare Gedanken lieben
  • konstruktive Beziehungsfähigkeit entwickeln
  • gesunde Autonomie leben.

 

In Anlehnung an: Franz Ruppert: Körper . Trauma . Ich (Kösel-Verlag, 2017)

 

 

© Ruth Sofia Dirkes 2020  -  rsdirkes@t-online.de

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